Die Zukunft der Fortpflanzungsmedizin in Deutschland
"Der Dreiklang von individuellen Lebensentwürfen, Familie und Gesellschaft ist dem Ethikrat deswegen so wichtig, weil es bei der Fortpflanzungsmedizin eben nicht nur um die Selbstbestimmung des Einzelnen über sein Leben geht, sondern immer auch um die Verantwortung für einen anderen Menschen, das Kind und die nächste Generation bzw. die nächsten Generationen", so Christiane Woopen, die Vorsitzende des Ethikrates zum Auftakt der Veranstaltung.
In seinem Eingangsreferat berichtete Georg Griesinger vom Universitären Kinderwunschzentrum Lübeck über neue und in Entwicklung befindliche Möglichkeiten der modernen Reproduktionsmedizin wie die Vitrifikation als hocheffizientes Verfahren zur Konservierung unbefruchteter Eizellen.
Über die rechtlichen Rahmenbedingungen der Fortpflanzungsmedizin in Deutschland informierte Dagmar Coester-Waltjen von der Universität Göttingen. Das für diesen Bereich einschlägige Embryonenschutzgesetz verbiete unter anderem die Eizellspende, die Leihmutterschaft sowie Eingriffe in die Keimbahn. Andere Bereiche, darunter auch das sogenannte "Social Freezing", seien dagegen nicht geregelt. Coester-Waltjen plädierte für ein umfassendes Fortpflanzungsmedizingesetz.
Eine ethische Kontroverse über die Zukunft der Familie und reproduktive Autonomie bestritten im Anschluss Eberhard Schockenhoff und Claudia Wiesemann, beide Mitglieder des Deutschen Ethikrates. Es folgte eine lebhafte Diskussion mit dem Publikum über die Auslegung der Begriffe Familie, Elternverantwortung und Fortpflanzungsfreiheit.
Schockenhoff führte in seinem Referat aus, dass das Leitbild einer ehebezogenen Familie als Ort unbedingter Verlässlichkeit, sozialen Lernens und existenzieller Sinnerfahrung in der Bevölkerung erstaunlich stabil geblieben sei. Es seien keine alternativen Lebensformen in Sicht, die die Rolle dieser Familie auf Dauer ersetzen könnten.
Für Claudia Wiesemann sind dagegen Heirat und Blutsverwandtschaft keine zwangsläufigen Voraussetzungen für eine Familiengründung. Vielmehr sei die Fortpflanzungsfreiheit, das heißt die Freiheit, allein oder im Verbund mit einem Partner/einer Partnerin darüber zu entscheiden, ob, wann und wie jemand sich fortpflanzen will, ein fundamentales Recht, dessen Reichweite allerdings durch andere Grundrechte beschränkt werden kann.
Am Nachmittag diskutierten die Teilnehmer in parallel stattfindenden Foren mit jeweils drei Referenten über drei Schwerpunktthemen:
Eingriffe in die Keimbahn standen im Fokus von Forum A, das sich mit sogenannten "Drei-Eltern-Babys" befasste. Hinter diesem Schlagwort stehen Bemühungen, mitochondriale Erbkrankheiten zu vermeiden. Dabei wird in den bislang entwickelten Methoden, die sich noch in einem experimentellen Stadium befinden, das Kerngenom der betroffene Eizelle entweder vor oder nach der Befruchtung in eine zuvor entkernte Spendereizelle übertragen, die gesunde Mitochondrien enthält. Ein so entstehendes Kind trüge im Zellkern die DNA von Vater und Mutter und in den Mitochondrien die DNA der Eizellspenderin.
Die Teilnehmer von Forum B setzten sich mit dem Themenkomplex Eizellspende und Leihmutterschaft auseinander. In der Diskussion ging es insbesondere um die Abwägung der Risiken mit dem Recht von Frauen, selbstbestimmt darüber zu entscheiden, ob sie eine Eizellspende oder Leihmutterschaft anbieten möchten.
Die Debatte in Forum C drehte sich um "Social Freezing", das langfristige Einfrieren eigener Eizellen im jungen Alter, um sie Jahre später für eine Schwangerschaft nutzen zu können. In der Diskussion wehrten sich mehrere Teilnehmer dagegen, "Social Freezing" als Lifestyle-Angebot zu stigmatisieren während andere neue soziale Zwänge für Frauen sehen. Wichtig für einen verantwortungsvollen Einsatz sei vor allem eine gute Beratung.
Die Erträge der Forenarbeit wurden als Auftakt der abschließenden Podiumsdiskussion vorgestellt, bei der sich die Bundestagsabgeordneten Hubert Hüppe (CDU), Kathrin Vogler (Die Linke) und Harald Terpe (Bündnis 90/Die Grünen) der Diskussion mit dem Publikum stellten.
Christiane Woopen stellte in ihrem Schlusswort heraus, dass die Jahrestagung gezeigt habe, wie wichtig angesichts der Entwicklungen in der Fortpflanzungsmedizin eine breite gesellschaftliche Debatte sei. Zudem müsse über die Weiterentwicklung der gesetzlichen Regulierung nachgedacht werden, da das Embryonenschutzgesetz manches Wichtige gar nicht, manches nur unklar und manches zwar klar, aber gesellschaftlich sehr umstritten regele.