Deutscher Ethikrat startet Beratungen zum Problemfeld der Ressourcenallokation im Gesundheitswesen
Seit dem vergangenen Jahr gibt es auch in Deutschland die gesetzliche Vorgabe, bei bestimmten Entscheidungen über das Leistungsspektrum der öffentlichen Gesundheitsversorgung Kostenaspekte einzubeziehen. Das mit der Umsetzung dieser Vorgabe beauftragte Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat dazu Methodenvorschläge entwickelt, die zum Gegenstand kritischer Auseinandersetzungen geworden sind. Insbesondere haben deutsche Gesundheitsökonomen Abweichungen von ihren fachintern anerkannten Bewertungsmethoden beklagt.
"Auf diesem Gebiet werden im Gewand fachlicher Auseinandersetzungen hochsensible ethische Fragen verhandelt, die einer breiteren Diskussion bedürfen", so die Leipziger Philosophin Prof. Dr. Weyma Lübbe, Mitglied des Deutschen Ethikrates, in ihrem einführenden Referat. Als Angehörigen einer Disziplin, die sich in Gerechtigkeitsfragen für fachlich unzuständig erklärt, dürfe den Gesundheitsökonomen nicht der von ihnen beanspruchte Status von Experten für rationales Entscheiden unter Knappheit zugestanden werden. Vielmehr müssten sich auch Juristen, Mediziner und Ethiker in die Diskussion um gesundheitsökonomische Evaluationen einbringen.
Lübbe wies darauf hin, dass einer ernsthaften interdisziplinären Auseinandersetzung über die Fragen der Ressourcenallokation hohe Hürden entgegenstehen. Strittige Werturteile seien zum Teil tief in terminologischen und methodischen Fachstandards verborgen und schwer transparent zu machen. Die Experten könnten der Politik die Arbeit aber nicht leichter machen, wenn sie sich untereinander nicht verständigten.
In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass in dieser Debatte Verständigungsschwierigkeiten nicht nur interdisziplinärer Natur sind, sondern das Spektrum unterschiedlicher Einschätzungen auch innerhalb einzelner Fachgebiete groß ist. Der Ethikrat wird sich weiter mit dem Thema befassen und dabei die ethischen Konfliktlinien anhand konkreter Beispiele aufzeigen. Eine bereits eingerichtete Arbeitsgruppe wird die Diskussion weiterführen und Impulse für die weitere Befassung im Plenum liefern.