Deutscher Ethikrat empfiehlt gesetzliche Regelung der Spende und Adoption überzähliger Embryonen
Spätestens seit 2013 wird auch in Deutschland die Weitergabe sogenannter überzähliger Embryonen zur Austragung und dauerhaften Übernahme elterlicher Verantwortung durch Dritte praktiziert. Damit sind grundlegende Fragen der Lebens- und Entwicklungschancen von Kindern, elterlicher Verantwortung und familiärer Beziehungen verbunden. Der Deutsche Ethikrat hält es für ethisch geboten, die Rahmenbedingungen für die Embryospende/Embryoadoption gesetzlich festzulegen.
Fortpflanzung, verstanden als das Zeugen und Aufziehen von Kindern, ist ein hochrangiges individuelles und soziales Gut. Fortpflanzungsfreiheit hat vor diesem Hintergrund eine hohe ethische Bedeutung. Sie wird allerdings begrenzt durch die damit verbundene Verantwortungsbeziehung zwischen Partnern sowie Eltern und Kind. Die elterliche Verantwortung beginnt bereits, bevor das Kind gezeugt wird.
Mit einer Embryospende/Embryoadoption können vielfältige Konflikte verbunden sein: etwa durch die Vervielfältigung von Elternrollen, durch unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie das Kind aufwachsen soll, oder durch das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung, das von großer Bedeutung für die Identitätsentwicklung des Kindes sein kann.
Das Kindeswohl ist wesentliche normative Maßgabe für die Ausgestaltung der Embryospende/Embryoadoption. Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Deutsche Ethikrat:
Die Abgabe und Übernahme der Elternrechte und -pflichten sollten gesetzlich klar und jeweils dauerhaft geregelt werden. Willigen beide Spenderelternteile ein, einen Embryo für den Transfer auf eine andere Frau freizugeben, damit das Empfängerpaar die elterliche Verantwortung auf Dauer übernehmen kann, sollte umgekehrt das Spenderpaar im Falle des Embryotransfers auch keine Elternrechte und -pflichten mehr haben. Entsprechend sollte dem Empfängerpaar mit dem Zeitpunkt des Embryotransfers die rechtliche Elternschaft übertragen werden.
Es sollten nur überzählige Embryonen gespendet werden dürfen, das heißt solche Embryonen, die für die fortpflanzungsmedizinische Behandlung des Paares, für das sie erzeugt wurden, endgültig nicht mehr verwendet werden können.
Angesichts der besonderen Herausforderungen für alle Beteiligten sollten Aufklärung und Beratung sowohl bei den Spender- als auch bei den Wunsch- bzw. Empfängereltern medizinische, rechtliche und psychosoziale Aspekte der Embryospende und Embryoadoption umfassen. Dabei ist das Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung zu berücksichtigen.
Es sollte eine zentrale Einrichtung damit betraut werden, die Zuordnung von Spender- und Wunscheltern nach ausgewiesenen Kriterien vorzunehmen und zu dokumentieren. Die Kriterien sind am Wohl des Kindes auszurichten. Die Einrichtung sollte ebenfalls die Zahl der freigegebenen Embryonen, die Zahl der Embryotransfers und der transferierten Embryonen sowie die Zahl der Schwangerschaften und Geburten dokumentieren.
Das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung ist zu gewährleisten. Dazu schlägt der Deutsche Ethikrat die Einrichtung einer zentralen Dokumentationsstelle vor, bei der jeder ab Vollendung des 16. Lebensjahres das Recht hat Auskunft zu erhalten, ob und welche Informationen zu seiner genetischen Herkunft vorhanden sind.
Die Spende von Embryonen kann zumindest einigen überzähligen Embryonen Lebenschancen eröffnen; zugleich kann sie den Kinderwunsch von Personen erfüllen, die keine eigenen Kinder zeugen können oder wollen. Je höher man den moralischen Status des Embryos in vitro ansetzt, desto wichtiger ist es, die Entstehung überzähliger Embryonen zu vermeiden. Gleichzeitig gibt es gute Gründe, den überzähligen Embryonen, die dennoch im Rahmen der Reproduktionsmedizin entstanden sind, eine vorhandene Lebensperspektive nicht zu verwehren.
Der Ethikrat empfiehlt in diesem Zusammenhang, die Auslegung der für die Praxis der Fortpflanzungsmedizin und die Entstehung überzähliger Embryonen bedeutsamen sogenannten Dreierregel des Embryonenschutzgesetzes gesetzlich klarzustellen. 14 Mitglieder des Deutschen Ethikrates empfehlen eine Klarstellung im Sinne einer strikten Auslegung, 12 Ratsmitglieder im Sinne einer erweiterten Auslegung.