Pressemitteilung 02/2013

Deutscher Ethikrat diskutiert Risiken des Forschungsmissbrauchs durch Bioterroristen

In einer öffentlichen Anhörung am 25. April 2013 befragte der Ethikrat neun Sachverständige zu den Möglichkeiten, den Missbrauch biologischer Forschung durch Dritte zu verhindern, ohne dabei die Forschungsfreiheit übermäßig zu beeinträchtigen. Die Ergebnisse werden in eine Stellungnahme zur Biosicherheit einfließen, die der Ethikrat derzeit im Auftrag der Bundesregierung erarbeitet.

Im Forschungslabor veränderte Viren, die Vogelgrippe zwischen Säugetieren auf dem Luftweg übertragbar machen, gaben im letzten Jahr Anlass für eine neue Debatte zur Biosicherheit und für den Auftrag der Bundesregierung an den Ethikrat. Denn Forschungsergebnisse zur Wandelbarkeit von Krankheitserregern gelten zwar einerseits als wichtig für die Vorbereitung auf neue Infektionswellen, könnten jedoch andererseits auch für die Herstellung von Biowaffen missbraucht werden, so die Sorge.

In der öffentlichen Anhörung stellten sich neun Sachverständige den Fragen des Ethikrates zum Thema. Von besonderem Interesse war dabei auch die Diskussion um die Eignung freiwilliger Verhaltenskodizes. Sie sollen Forscher und diejenigen, die über die Förderung von Forschungsvorhaben und die Veröffentlichung ihrer Ergebnisse entscheiden, für Missbrauchsrisiken sensibilisieren und ihre Vermeidung befördern.

Zunächst gab der Virologe Hans-Dieter Klenk einen Überblick zu den aktuellen Missbrauchspotenzialen in der biowissenschaftlichen Forschung. Er betonte, dass er Experimente zur Veränderung der Gefährlichkeit von Viren für unverzichtbar, Forschungs- und Publikationsverbote dagegen für inakzeptabel halte. Der Philosoph Torsten Wilholt wies in seiner Analyse der ethischen Fragen darauf hin, dass Freiheit und Verantwortung in der Forschung immer zusammengehörten. Eine reine Selbstregulierung der Wissenschaft sei jedoch ungeeignet, da sich Forscher, deren Ziel es ist, neues Wissen zu gewinnen, nur schwer gegen Forschungsprojekte entscheiden. Der Rechtswissenschaftler Thomas Würtenberger stellte in einer verfassungsrechtlichen Analyse Schutzpflichten und Forschungsfreiheit gegenüber und setzte sich dabei für eine sorgfältige Auswahl der jeweils effektivsten Schutzkonzepte ein. Diese könnten auch Biosicherheits-Kommissionen umfassen, wenn deren Entscheidungen gerichtlich überprüfbar seien.

Die Kulturwissenschaftlerin und Medizinerin Bärbel Dickmann erläuterte die besonderen Herausforderungen, die sich für die Risikokommunikation bei Missbrauchsrisiken in der Forschung ergeben. Hier gelte es, eine große Kluft zwischen Risikoanalysen einerseits und der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Risiken andererseits zu überbrücken.

Die Vizepräsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Elisabeth Knust, betonte, dass die Prüfung von Missbrauchsgefahren vor einer Forschungsförderung bereits gut funktioniere. Der Sozialwissenschaftler Wolfgang van den Daele plädierte für Berücksichtigung von breiteren Fragen im gesellschaftlichen Informations- und Diskursprozess. Die Gefahr bei möglichen Biosicherheits-Kommissionen sei, dass diese sich auf reine Sicherheitsfragen verengten.

Christof Potthof vom Gen-ethischen Netzwerk e. V. setzte sich für verbindliche rechtliche Regelungen zur Risikominimierung und eine stärkere verbindliche Verankerung von Biosicherheitsthemen in der Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlern ein. Peer Stähler von der International Association Synthetic Biology (IASB) stellte unverbindliche Kontrollmechanismen vor, die die Mitgliedsunternehmen der IASB beim Verkauf von Gensynthese-Produkten anwenden. Er betonte die derzeit noch großen internationalen Unterschiede bei der Regulierung und beim Problembewusstsein zu Biosicherheitsfragen.

Der Sicherheitsberater Volker Beck nannte Risikominimierung und -abwehr sowie die Vorbereitung auf ein optimales Ressourcen- und Kommunikationsmanagement im Krisenfall als wichtigste Elemente des Bevölkerungsschutzes. Beck beurteilte die hierfür relevanten deutschen Regularien grundsätzlich positiv, attestierte jedoch ein geringes Problembewusstsein sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei Forschern, insbesondere im universitären Bereich.

In Rückfragen und Diskussionbeiträgen sprachen die Ethikratsmitglieder unter anderem über das Potenzial eines übergreifenden Verhaltenskodex für die Wissenschaft, über Biosicherheits-Gremien, die auch Einzelfallabwägungen durchführen könnten, und über möglicherweise neue Gefahren durch Forschung, die außerhalb etablierter Institutionen stattfindet.

Das Programm der Anhörung sowie die Vorträge und Diskussionbeiträge können im Bereich "Anhörungen" abgerufen werden.