Geschlechtervielfalt

Seit einigen Jahrzehnten stellt eine emanzipatorische Bewegung die binäre Geschlechterordnung von Mann und Frau mit den zugehörigen Geschlechterstereotypen und Rollenerwartungen infrage.

Schon hinsichtlich der körperlichen Geschlechtsmerkmale können manche Menschen nicht eindeutig dem männlichen oder dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden. Der Begriff der Intersexualität bezeichnet ein ganzes Spektrum sogenannter Abweichungen der Sexualentwicklung mit unterschiedlichen biologischen Ursachen, darunter Varianten der Geschlechtschromosomen oder genetisch bedingte Auffälligkeiten auf hormoneller Ebene. Viele intersexuelle Menschen wenden sich entschieden gegen die verbreitete Pathologisierung ihrer besonderen Geschlechterausprägungen. Ihre Kritik an den früher routinemäßig bereits im Säuglingsalter angewandten Methoden der chirurgischen Geschlechtsangleichung bzw. -festlegung hat dazu geführt, dass medizinische Leitlinien inzwischen vorsehen, solche und ähnliche (z.B. hormonelle) Behandlungen im Regelfall nur mit der Zustimmung der Betroffenen vorzunehmen. Auch mit der in Deutschland im Jahr 2018 eingeführten Möglichkeit, zur Bezeichnung des Geschlechts eines Neugeborenen den Eintrag „divers“ in das Geburtenregister vorzunehmen, wurden die Rechte intersexueller Menschen gestärkt.

Selbst wenn sich nach der Geburt einer Person das Geschlecht aufgrund ihrer körperlichen Merkmale scheinbar eindeutig feststellen lässt, kann es jederzeit im Verlauf ihrer weiteren Entwicklung zu einem Widerspruch der empfundenen geschlechtlichen Identität mit dem Geburtsgeschlecht kommen. Ein solches Empfinden der Geschlechterinkongruenz kann, aber muss nicht unbedingt ein Unbehagen am eigenen Körper beinhalten. Es kann sich auch auf das von einem erwartete öffentliche Auftreten, die sexuelle Orientierung oder andere Aspekte sozialer Geschlechterrollen (Gender) beziehen. Entsprechend divers sind auch die von den Betroffenen gewählten Strategien, sich mit den Besonderheiten ihrer Geschlechtsidentität zu versöhnen. Bei starkem Leidensdruck können auch die schon erwähnten operativen und hormonellen geschlechtsangleichenden Behandlungen eine Lösung bieten. Eine schwierige ethische Problemlage ergibt sich allerdings dann, wenn bereits Kinder oder Jugendliche den Wunsch nach derartigen Maßnahmen äußern, weil diese gravierende Nebenfolgen haben können und die Geschlechtsidentität sich im Laufe des Heranwachsens wandeln kann.


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