Hilfe durch Zwang? Professionelle Sorgebeziehungen im Spannungsfeld von Wohl und Selbstbestimmung

Veröffentlicht: 1. November 2018

Mit Wohltätigkeit und Fürsorge begründete Zwangsmaßnahmen sind in vielen Feldern des Sozial- und Gesundheitswesens verbreitet. Dabei handelt es sich etwa um freiheitsentziehende Maßnahmen, wie die Unterbringung in Kliniken und anderen stationären Einrichtungen gegen den Willen der betroffenen Person oder das Anbringen von Bettgittern oder Fixierungsgurten, um medizinische Behandlungen oder Pflegemaßnahmen gegen den Willen eines Patienten oder um sogenannte intensivpädagogische Maßnahmen in der Kinder- und Jugendhilfe. Wenn eine Person sich selbst schwer zu schädigen droht, können solche Zwangsmaßnahmen dem Wohl der betroffenen Person dienen. Gleichwohl stellt jede Anwendung solchen „wohltätigen Zwangs“ einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Person dar und ist folglich in besonderem Maße rechtlich und ethisch rechtfertigungspflichtig.

Die Stellungnahme soll erstens die Öffentlichkeit für das schwierige Problemfeld der professionellen Hilfe durch Zwang im Spannungsfeld zwischen Wohl und Selbstbestimmung sensibilisieren, zweitens Politik, Gesetzgeber und Praxis auf Regelungs- und Umsetzungsdefizite hinweisen und mit Empfehlungen zu ihrer Behebung beitragen sowie drittens die Gesundheits- und Sozialberufe bei der Neuorientierung ihres Selbstverständnisses und ihrer Praxis als professionell Sorgende unterstützen. Sie enthält sowohl grundsätzliche Empfehlungen für den verantwortungsvollen Umgang mit Zwang in professionellen Sorgebeziehungen als auch eine Vielzahl bereichsspezifischer Empfehlungen für die drei Praxisfelder Psychiatrie, Kinder- und Jugendhilfe sowie Altenpflege und Behindertenhilfe.